Interview mit Winfried Wentland
Meistens ist es einfach nur schwere, harte, staubige, normale Arbeit
Winfried, du lebst, wenn du nicht für CfaN auf den staubigen Pisten Afrikas unterwegs bist, in Hamburg. Thema Heimat: Wo fühlst du dich zuhause? Gibt es dieses Gefühl für dich überhaupt?
Eigentlich fühle ich mich überall zuhause. Mein halbes Leben habe ich in Deutschland verbracht und die andere Hälfte in über 40 Ländern Afrikas.
Ich empfinde es so: Wenn ich aus Europa nach Schwarzafrika fliege, dann komme ich in meine Heimat. Und umgekehrt, wenn ich aus Afrika nach Deutschland komme, ist es ganz genauso. Das sind sozusagen meine beiden Beine. Ich kann einfach nicht auf eins von ihnen verzichten.
Wenn ich nach Afrika gehe, lasse ich allerdings meine europäische Denkweise hinter mir. Das afrikanische Lebensgefühl ist vollkommen anders als das europäische. Afrikaner denken ganz anders und haben eine völlig andere Lebenseinstellung. Die Dinge funktionieren nicht so, wie wir uns das als Europäer vorstellen. Viele Menschen aus dem Westen kommen damit nicht zurecht, zum Beispiel beim Thema Zeiteinteilung, Terminabsprachen oder der Art, wie Zoll oder Visa abgewickelt werden. Mit Druck, Gepolter und dem Bestehen auf vermeintlichen Rechten kommt man da nicht weiter. Die Menschen in Afrika wollen auf ihre Art respektiert werden und ich habe gelernt, meine Denkweise anzupassen, wenn ich in Afrika unterwegs bin. Das schönste Kompliment ist es, wenn ein Afrikaner zu mir sagt: „You are one of us!“
Was ist das Wichtigste, wenn du in Afrika unterwegs bist?
Das Wichtigste ist ganz klar, dass wir das Material für unsere nächste Evangelisation von A nach B bekommen. Wir sind nicht zur Erholung unterwegs, unsere Arbeit ist kein Safari-Trip. In Afrika können einem hinter jeder Straßenecke Herausforderungen und Widerstände begegnen, ganz plötzlich und unerwartet. Wir wissen, dass das dazu gehört, denn wenn wir vorangehen, um das Reich Gottes zu bauen, befinden wir uns mitten in einem geistlichen Kampf. Darauf muss man sich einstellen und gerüstet sein.
Gott hat immer und immer wieder verschlossene Türen aufgeschlossen, heruntergelassene Schranken geöffnet und versperrte Wege freigemacht. Das ging sogar so weit, dass Beamte, die uns hartnäckig blockierten, ganz urplötzlich entlassen wurden und ihren Platz räumen mussten. Der Nachfolger war uns dann in der Regel wohlgesonnen. Und manches Mal gab es eine Polizeikontrolle, die uns aufhielt, was nichts anderes war als eine vom Herrn geschenkte Gelegenheit, diesen Menschen das Evangelium zu verkündigen.
Die Arbeit für CfaN in Afrika ist mitunter gefährlich, manchmal sogar lebensgefährlich. Erzähle mal etwas darüber.
Ja, in Afrika lernt man wirklich Gottvertrauen. Ich persönlich stand schon zwölf Mal kurz vor dem Tod. Das war beispielsweise 1985 bei einem Fast-Flugzeugabsturz einer Boeing 737. Beide Triebwerke waren ausgefallen. Wir stürzten unaufhaltsam nach unten. In einer Höhe von nur noch etwa 800 Metern über dem Boden schoss plötzlich Feuer aus einem der Triebwerke und das Flugzeug bekam wieder Schub. Wir sind sicher gelandet.
Oder die Aktion mit der sinkenden Fähre, die in unserem Buch „Dem Tod knapp entronnen“ beschrieben wird. Das Führerhaus des LKWs geriet unter Wasser. Es war wirklich ein Eingreifen Gottes, dass ich dort lebend herausgekommen bin.
Einmal wurde ich in Gabun deportiert. Ein anderes Mal wurde ich in Äquatorialguinea als Geisel festgehalten. Es war am Tag vor Heiligabend als ich wieder freikam. Meine Frau und die Kinder dachten wirklich, dass der Papa nicht mehr wiederkommen würde. Örtliche Befehlshaber wollten sich unseren Truck und die Ausrüstung aneignen und man hatte sogar versucht, heimlich Rauschgift in den LKW zu schmuggeln. Aber dank der Gnade des Herrn kamen wir wieder frei.
Angst vor dem Tod habe ich nicht. Ich weiß ja, wo ich hingehe und bin an diesem Punkt ganz ruhig und gelassen. Wenn ich mich verabschiede, dann tue ich es allerdings in der Regel so, als ob ich nie wiederkommen würde.
Was würdest du als dein eindrücklichstes Erlebnis bezeichnen?
Von den vielen, vielen unvergesslichen Eindrücken kommt mir gerade einer in den Sinn, der mich wirklich tief angerührt hat. Es war in Sierra Leone, einem vom Bürgerkrieg entsetzlich gezeichneten und verwüsteten Land. Unzählige Menschen waren verstümmelt worden. Auf unserer Evangelisation sah ich eine Frau. Rebellen hatten ihr Bein unterhalb des Knies abgehackt. Die Wunde war nicht richtig verheilt und das Blut tropfte noch aus dem Lappen, mit dem das Bein verbunden war. Diese Frau stand im Lobpreis und voll Anbetung sang sie mit geschlossenen Augen „Amazing Grace“.
Dieses Bild hat sich mir eingebrannt. Wie sind wir Menschen im Westen hingegen oft so undankbar! In der Stadt hatte es seit drei Jahren keinen Strom gegeben. Unsere Generatoren waren das Einigste, das Licht erzeugte.
Afrika ist ja immer wieder von Bürgerkriegen gekennzeichnet. Hattest du schon Berührung damit?
Oh ja! Ende der 90er-Jahre geriet ich mit einem kleinen Team von sechs Leuten mitten in den Bürgerkrieg in Sierra Leone. Wir waren nach Liberia unterwegs. In der Morgenlesung gab der Herr mir ein Wort: „Wer sein Leben zu erhalten versucht, der wird es verlieren.“ Also los! Doch unterwegs gelang es Soldaten, uns zu stoppen. Es waren Kindersoldaten im Alter von 10–14 Jahren. Das war extrem gefährlich. Man weiß, dass sie häufig unter Drogen stehen und nicht zweimal nach etwas fragen, sondern sofort schießen. Irgendwie ergab sich, dass ich mit meinem 10-jährigen Bewacher ein Gespräch beginnen konnte und er mir seine Geschichte erzählte. Er war 8 Jahre alt, als man vor seinen Augen die ganze Familie zusammengetrieben und in entsetzlicher Weise ermordet hatte.
Die entmenschlichte Brutalität, die in den Bürgerkriegen Afrikas immer wieder hochkommt, zeigt, wie sehr der „schwarze Kontinent“ die Botschaft des Friedens, der Rettung, der Heilung und der Wiederherstellung braucht. Nur Jesus allein kann Afrika retten!
Durch verschiedene Wunder wurden wir befreit und fuhren mitsamt LKW und Ausrüstung mitten durch das Rebellengebiet. Ich weiß noch, dass wir um 12 Uhr durch eine Stadt fuhren. Später hörten wir, dass um 14 Uhr die Rebellen die Stadt eingenommen und alles umgebracht hatten, was sie vorfanden.
Der Herr bewahrte und behütete uns. Wir erreichten die Grenze und wurden von dort in die Stadt eskortiert, in der die Großevangelisation stattfand. 200.000 Menschen kamen. Jemand sagte zu uns: „Auch hier gibt es kein Haus ohne Einschusslöcher. Wo mehr als 10 bis 15 Personen zusammenstehen ist Krieg und es wird geschossen. Doch hier kommen Hunderttausende friedlich zusammen.“ Zehntausende nahmen in diesen Tagen Jesus als ihren Herrn und Retter an. Wer will sagen, dass sich der Einsatz dafür nicht gelohnt hätte?
Für Reisende aus Europa ist Malaria ja ein großes Thema …
Das stimmt absolut. Wenn man in Afrika unterwegs ist, kann man aber lernen, damit umzugehen. Wichtig ist, dass man es rechtzeitig bemerkt und je nach Malariagebiet die richtigen Tabletten oder Spritzen nimmt. Malaria hatte und habe ich regelmäßig, schon bestimmt 25-mal.
Zweimal allerdings befand ich mich durch Malaria in echter Todesgefahr. Einmal lag ich bereits zehn Tage in einem Krankenhaus und hatte bestimmt 50 Infusionen bekommen. Es ging mir absolut elend, rasende Kopfschmerzen, Entkräftung … Als ich vor Erschöpfung einschlief, dachten wohl alle, dass es das gewesen wäre. Doch am nächsten Morgen erwachte ich fit – zur allgemeinen Überraschung. Von Stunde zu Stunde ging es mir besser und sehr bald konnte ich das Krankenhaus verlassen.
Du machst diese Arbeit für CfaN schon seit über 30 Jahren. Wie bist du eigentlich in diesen Dienst gekommen?
Der Herr selbst hat mich hineingeschubst. Ich war Zeitsoldat und während der Wache sprach der Herr zu mir, dass dies nicht meine Aufgabe wäre. So besuchte ich die Bibelschule Beröa in Erzhausen. Ingolf Ellßel war einer meiner Klassenkameraden. Ich wusste, dass ich in die Mission gehen sollte. 1978 haben Gaby und ich uns verlobt und dann erfuhren wir, dass Reinhard Bonnke junge Leute sucht, die helfen, den „African Messenger“ zu verteilen. So gingen wir nach Afrika. Ich hatte dadurch nach drei Jahren Bibelschule allerdings kein „ordentliches“ Vikariat abgeleistet und so konnte ich nach den Statuten nicht ordiniert werden. Das geschah erst viele Jahre später.
Gaby und ich haben immer an dem Ruf Gottes festgehalten, trotz mancher Entbehrungen – und trotz mancher interessanter Jobangebote. Es war und ist für uns kein „Opfer“, das wir bringen. Wir haben auch nicht „alles aufgegeben“. Nein, es ist ganz anders. Jesus hat uns überreich beschenkt und gesegnet. Es ist ein herrliches Vorrecht, in diesem Dienst zu stehen. Es geht ja nicht um Truckfahren, es geht darum, den Missionsbefehl Jesu zu erfüllen. Es ist eine Aufgabe Gottes.
Doch es ist wirklich nicht für jedermann geeignet. Ich habe schon viele Interessenten und Besucher mitgenommen. Die meisten verlieren aufgrund der Situation und der Umstände in Afrika nach einiger Zeit schlichtweg die Nerven.
Man darf und kann so etwas nicht aus Abenteuerlust machen, weil man den besonderen geistlichen Kick oder die Abwechslung sucht. Hier geht es nicht um persönliche Befriedigung. Für eine solche Arbeit braucht man neben der Berufung Gottes auch Durchhaltevermögen. Meistens ist es einfach nur schwere, harte, staubige, normale Arbeit.
Macht deine Gesundheit diesen „Knochenjob“ denn gut mit?
Der Herr schenkt Gnade dazu. Einmal hatte ich in Deutschland massive Probleme mit meinem linken Knie. Eine OP stand kurz bevor. Doch dann wurde ich in Afrika dringend gebraucht. Ich war bereits im Krankenhaus, als ich beschloss, die OP doch noch abzusagen und trotz der Schmerzen zu fliegen. Mit Krücken ging ich ins Flugzeug, dann in den Truck und auf die Straße. Zunächst war es furchtbar mit der Kupplung, doch es wurde nach und nach besser und als ich nach 6 Stunden am Ziel ankam, war alles vollkommen gesund.
Wie kann man sich das in Afrika vorstellen? Du fliegst runter und dann …? In Lagos gibt es ja eine Art CfaN-Zentrale mit Lagerhaus.
In Lagos, der nach Kairo zweitgrößten Stadt Afrikas, haben wir unsere „CfaN-Base“, ein über 10 Meter hohes „Warehouse“ von 40 x 50 Metern. Es ist rund um die Uhr bewacht und einige unserer afrikanischen Mitarbeiter leben auch dort. Hier befindet sich unsere Basisstation für das Sound-, Licht- und Video-Equipment, für die Plattform, für Millionen von eingelagerten Nacharbeitsbüchern und natürlich für unsere drei Trucks. Wir haben drei LKW-Zugmaschinen – zwei davon, die übrigens schon Baujahr 96 und 97 sind, aber immer noch einen einwandfreien Dienst verrichten – sowie sechs Auflieger für 40-Fuß-Container und einen großen Anhänger.
Ein großer Teil unserer technischen Ausrüstung ist wirklich schon alt, insbesondere für die afrikanischen Straßen- und Klimaverhältnisse, die für High-Tech-Equipment die absolute Herausforderung sind. Dank intensiver Wartung konnten wir die vom Hersteller geschätzte Lebensdauer schon weit übertreffen. Einige unserer Teile sind schon doppelt so lange – und länger – im Einsatz, als es bei guter Pflege laut der Hersteller zu erwarten wäre. Das ist wirklich auch ein Geschenk Gottes.
Derzeit planen wir die Aufteilung des Systems, um auch in Ostafrika wieder das Evangelium verkünden zu können. In Äthiopien, Uganda, Kenia, Tansania … Wir planen dort eine neue Basis einzurichten und im Grunde genommen fast von vorne zu starten. Einen Teil der vorhandenen Ausrüstung und einige Reserveteile werden wir vermutlich nutzen können, einen Teil müssen wir neu kaufen. Dazu zählt mit Sicherheit auch mindestens ein Truck. Von Nigeria aus durch den Kongo nach Osten zu fahren, ist unmöglich. Wir können neues Material entweder von Südafrika aus an der Ostküste empor fahren oder wir müssen es per Schiff anliefern lassen, zum Beispiel nach Mombasa oder Daressalam.
Was ist in der täglichen Routine das größte Problem?
Probleme sind zum Lösen da. Ich spreche lieber von Herausforderungen.
Eine große Herausforderung ist auf jeden Fall, vor Ort geeignete einheimische Helfer zu bekommen. Unser technisches Team ist ja, verglichen mit der Größenordnung unserer Veranstaltungen, ziemlich klein, insbesondere, wenn man sie mit säkularen Großevents in Europa vergleicht, bei denen vielleicht fünf- bis zehnmal soviel Personal eingesetzt wird.
Wir brauchen deshalb immer eine große Schar freiwilliger Helfer vor Ort. Dabei haben wir supergute, aber mitunter auch extrem schlechte Erfahrungen gemacht. Einmal war es so schwierig, dass ich kurzerhand aus einem nahegelegenen Gefängnis 40 Gefangene kommen ließ, die man dort „mieten“ konnte. Mit ihnen kamen 20 schwer bewaffnete Bewacher. Die Gefangenen arbeiteten tiptop. Als das die örtlichen christlichen Helfer mitbekamen, waren die Streitereien und Zwistigkeiten bald vergessen. Das war vielleicht etwas unkonventionell, aber hilfreich.
Winfried, herzlichen Dank für das Interview. Noch ein Wort von dir zum Abschluss?
In den Jahren, in denen ich Afrika kennen und lieben gelernt habe, hat das Christentum dort einen gewaltigen Eindruck hinterlassen und echte Veränderung bewirkt.
In der Gesellschaft vieler afrikanischer Nationen gab es inzwischen einen Wandel, eine neue Ausrichtung. So vieles hat sich bereits zum Guten verändert … und doch gibt es noch unfassbar viel zu tun. Deshalb machen wir weiter!
Die CfaN-Vision wird erfüllt werden:
Ganz Afrika soll gerettet werden – von Kapstadt bis Kairo.